Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter eines Abends, nachdem sie den ganzen Tag lang weggewesen war, vor Begeisterung strahlend nach Hause kam. Ich hatte den Tag mit meinem Vater und meiner Schwester verbracht und war sehr neugierig darauf, wo meine Mutter gewesen war. Sie erklärte mir, dass sie gerade an einem Siddha Yoga Shaktipat Intensive mit Gurumayi, einem Siddha Guru, die auf einer Vortragsreise in Mexiko war, teilgenommen hatte. Da es schon Schlafenszeit war—ich war damals zehn Jahre alt—wollte meine Mutter nicht, dass ich aufbleibe. Deshalb erzählte sie nur ein wenig über das Shaktipat Intensive, legte eine Kassette ein, auf der Gurumayi das Mantra Om Namah Shivaya sang, und sagte mit sanfter Stimme, dass ich dem Rhythmus meines Atems zuhören solle, während mich Gurumayi in den Schlaf singt.
Ich wusste nichts über Gurumayi oder Meditation. Aber als ich da lag und ihrer Stimme zuhörte, war ich fasziniert. Es hatte etwas sehr Vertrautes und wirklich sehr Besonderes an sich. Ich erlebte ein solch tiefes Gefühl von Liebe, dass sich meine Augen mit Tränen füllten. Als ich da im Bett lag, Gurumayi singen hörte und auf die Bewegung meines Atmens achtete, hatte ich die Vision einer Girlande aus Lichtern und jedes Licht leuchtete in einer anderen Farbe. In jedem dieser Lichter waren noch kleinere, silbern schimmernde Lichter. Diese Lichter hüllten mich ein in einen Frieden, den ich nie zuvor in meinem Leben erfahren hatte.
Vom folgenden Wochenende an nahm mich meine Mutter regelmäßig zu den Satsangs im Siddha Yoga Ashram in Mexico City mit, und ich verliebte mich sofort in die Übung des Singens. Schließlich besuchten meine Eltern, meine Schwester und ich im Sommer 1986—und in den folgenden sieben Sommern—den Shree Muktananda Ashram. Meine Eltern boten Seva an und meine Schwester und ich nahmen an den Siddha Yoga Veranstaltungen für Jugendliche teil. Gurumayi überschüttete uns Kinder immer mit Liebe und lehrte uns, obwohl wir noch sehr jung waren, wie wichtig Disziplin ist und dass es notwendig ist, auch im jungen Alter regelmäßige spirituelle Übungen zu entwickeln.
Seit dem Highschool-Abschluss im Jahr 1994 bot ich durchgehend bis zum Jahr 2007 Seva als Vollzeit-Mitarbeiter im Music Department im Shree Muktananda Ashram an. Während ich Gurumayis Lehren studierte und sie bei der Seva umsetzte, entdeckte ich, dass die Liebe, die ich als Kind und als Jugendlicher für Gurumayi empfunden hatte, auch noch eine andere tiefgreifende Dimension hat—in Gestalt ihrer Lehren. Und ich erkannte ebenfalls, dass mit dem Geschenk ihrer Liebe auch das Geschenk und die Verantwortung des Schülerseins einhergehen.
Gurumayi hat in ihren Vorträgen in Satsangs oft betont, wie wichtig die Disziplin des Zuhörens ist. Eine der Lehren von Gurumayi ist die, dass wir beim Singen zunächst auf den Klang der Gruppe und dann erst auf den Klang unserer eigene Stimme hören sollen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich das zum ersten Mal bei einem Chant anzuwenden versuchte – ich war überrascht, wie schwer das war! Ich war es gewohnt, beim Singen die Augen zu schließen und meine Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Aber je mehr ich das, was Gurumayi mich gelehrt hatte, anwendete, desto mehr entdeckte ich, dass große Kraft und große Freude darin liegen, wenn ich meine Aufmerksamkeit beständig auf den Klang der Gruppe gerichtet halte.
Ich wandte diese Übung des konzentrierten Zuhörens sowohl bei meinen alltäglichen Begegnungen mit anderen als auch bei meiner Übung der Selbsterforschung an. Ich entdeckte, dass ich, wenn ich anderen sehr interessiert zuhörte und sie nicht unterbrach, in der Lage war, mit jedem in meiner Umgebung in einer sinnvolleren, aufrichtigeren und liebevolleren Weise umzugehen. Am wichtigsten aber war, dass ich anfing, den Unterschied zwischen der Stimme der Wahrheit in meinem Herzen und der Stimme meines Egos zu verstehen. Die Auswirkung davon, von welchem Ort aus ich sprach, wurden mir sofort klar. Deswegen begann ich mich mehr und mehr auf die Stimme der Wahrheit zu konzentrieren und diese Stimme zur Grundlage meiner Entscheidungen und meines Handelns zu machen.
Obwohl ich nun als Geschäftsmann mit meiner Frau in Hongkong lebe und nicht mehr Mitarbeiter im Ashram bin, leitet mich das, was Gurumayi mich über das Zuhören während des Singens gelehrt hat, sowohl in meinem privaten als auch beruflichen Leben weiterhin an.
Als ich wegen meiner neuen Arbeitsstelle nach Hongkong umzog, habe ich mich sehr darum bemüht, an meine Arbeit mit der gleichen Einstellung heranzugehen, wie ich es über viele Jahre bei der Seva als Mitarbeiter und auf Vortragsreisen mit Gurumayis getan hatte. Meinem Chef war aufgefallen, dass unsere Kunden gerne mit mir direkt Kontakt haben wollten—besonders unsere Kunden in Indien! Bevor ich dort angefangen hatte, hatte unsere Firma viele Jahre lang erfolglos versucht, in Indien ins Geschäft zu kommen. In meinem ersten Jahr in der Firma nahmen unsere Verkäufe in Indien drastisch zu. Infolgedessen ernannte mich die Firma zum Leiter der Geschäftsentwicklung für Indien und den Nahen Osten, wo die meisten Geschäfte von Indern geführt werden. Das aktive Zuhören, das ich von Gurumayi gelernt und beim Singen und Anbieten von Seva geübt hatte, hatte mich geschult, meinen Kunden zuzuhören und so Kontakt zu ihnen herzustellen, dass sie sich wohl fühlten und gerne mit unserer Firma Geschäfte abschlossen.
Bei meinem ersten Besuch im Büro unseres Partners in Indien traf ich mich mit all den neuen jungen Verkäufern, die aufgrund der Partnerschaft mit unserer Firma eingestellt worden waren. Ich dachte darüber nach, wie Gurumayis Lehre mir geholfen hat, diese neue Chance zu eröffnen, wodurch auch zehn neue Arbeitsstellen für junge Inder entstanden waren. Das war das Ergebnis davon, dass ich gelernt hatte, auf die Stimme der Wahrheit in meinem Herzen zu hören: Ich kann Entscheidungen in meinem Leben treffen, die nicht nur mich weiter bringen und mir nützen, sondern auch allen, mit denen ich zu tun habe. Ich bin Gurumayi so dankbar dafür – und für so vieles mehr in meinem Leben.